Detektei Lessing

 

Band 33

 

Abgezockt

 

-1-

 

„Wir sind gerade mal ein Jahr verheiratet und du hast schon keine Zeit mehr für mich“, beschwerte sich Ida Schilling, bei ihrem Ehemann. Der verdrehte die Augen und versuchte sich weiter auf seine Arbeit zu konzentrieren. Der Physiker wusste um den Kummer seiner jungen Frau und er hatte auch ein Stück weit Verständnis für ihre Situation, aber er hatte derzeit nun mal keine Wahl. Seine Forschungen bei der Physikalisch Technischen Bundesanstalt ließen sich so kurz vor dem Finale nicht für einen Urlaub unterbrechen.

„Warum triffst du dich nicht mit einer deiner Freundinnen und machst dir einen schönen Tag?“ Er reichte ihr seine goldene Kreditkarte und wandte sich wieder seinem Computer zu. „Ich will mich nicht mit Rita, Klara oder Jasmina treffen und ich will auch nicht deine dämliche Karte, ich will mit dir zusammen sein!“, entgegnete Ida verärgert. Helke zuckte zusammen. Das waren völlig neue Töne aus Idas Mund. Wenn seine Frau nicht mehr shoppen wollte, musste er dies als Alarmzeichen werten.

„Also schön, ich mache dir einen Vorschlag“, besann er sich. „Ein Kollege besitzt im Harz eine gut ausgebaute Jagdhütte. Er hat sie mir erst kürzlich für ein paar Tage angeboten. Wir könnten uns dort über das Wochenende ein paar schöne Stunden machen.“ Ida überlegte einen Moment und willigte schließlich ein. Helke legte seine Stirn in Falten. „Was ist?“ Der Professor schluckte, sein Mund war staubtrocken. „Ich äh, ich müsste mir allerdings etwas Arbeit mitnehmen“, gestand er zögerlich. Die geborene Estin seufzte. „Aber nur wenn du mir versprichst, dass du dich nicht die ganze Zeit an deinem Laptop aufhältst.“

Helke war mit sich zufrieden. Die Art und Weise, in der er das aufglimmende Feuer gelöscht hatte, zeugte von einem hohen Maß an Einfühlungskraft und diplomatischen Geschick. Darüber hinaus war er recht angetan von den Bildern, die ihm der Kollege Ungemut von seinem Wochenendhäuschen gezeigt hatte. Direkt am Ufer eines kleinen Weihers gelegen, weit ab vom nächsten Ort, war die gut ausgebaute Blockhütte ein idealer Rückzugsort, um den Kopf endlich mal wieder frei zu bekommen.

„Ich muss noch mal zur PTB, um einige Gleichungen zu überprüfen und um die nötigen Unterlagen zu kopieren“, erklärte der Professor kurze Zeit später. „Abgesehen davon brauchen wir ja auch noch den Schlüssel für die Hütte und eine Wegbeschreibung.“ „Dann nutze ich die Zeit, um etwas Proviant zu besorgen und um alles Nötige zusammenzupacken“, überlegte Ida. Als Helke an ihr vorbeigehen wollte, hielt sie ihn auf, umarmte ihn und küsste ihn so zärtlich, wie sie es schon seit langem nicht mehr getan hatte. Plötzlich freute sich der Professor auf ihren gemeinsamen Trip.

-2-

„Wie lange ist es eigentlich her, dass Sie und Ihre Frau sich die Zeit für ein gemeinsames verlängertes Wochenende nahmen?“, überlegte meine Sekretärin. „Ich fürchte, das liegt bereits eine ganze Weile zurück, Trude.“ Meine Putzsekretärin rieb sich nachdenklich das Kinn. Waren Sie überhaupt schon mal zusammen im Urlaub?“ „Wenn Sie so eine Pauschalreise meinen, ergab sich noch keine Gelegenheit, aber kürzlich waren wir mal übers Wochenende am Tankumsee.“ „Kürzlich?“, sah mich Trude irritiert an. „Sie sprechen doch wohl nicht von dem Ausflug vor sechs Jahren?“ Ich erschrak. „So lange ist das schon wieder her?“ Trude verdrehte die Augen. „Kürzlich...“

Mein schlechtes Gewissen überkam mich wie ein gewaltiger dunkler Schatten, der sich über meine Seele legte und mir ganz langsam die Kehle zuschnürte. Die vergangenen Jahre an der Seite meiner Liebsten waren nun wirklich nicht von Müßiggang und Vergnügen geprägt. Die finanziellen Verhältnisse rund um meine Detektei waren alles andere als üppig. Erst seitdem ich mit der Kanzlei Börner zusammenarbeite, brauche ich mir keine Gedanken mehr darüber machen, wie ich das Gehalt meiner Angestellten und die Miete finanziere. Auf Miriams Drängen hatte ich sogar einige Rücklagen für schlechte Zeiten gebildet.

Die kleine Jagdhütte im Bodetal, die wir uns nun für ein paar Tage angemietet hatten, sollte der Ausgangspunkt für ein neues Hobby sein, welches ich mir nach Miriams Meinung unbedingt zulegen musste. Eine Art Ausgleich, den jeder glückliche Mann brauchte. Nun, außer meiner kleinen Familie und der Arbeit hatte ich tatsächlich nichts. Die Zeiten, zu denen ich mit den Jungs in Pattys Corner Billard spielte, oder mit Jogi um die Häuser zog, lagen lange zurück. Ob dies nun schädlich für ein stimmungsvolles Familienleben war, wusste ich nicht, aber wenn sich meine Liebste etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann war es besser, ihren Gedanken Rechnung zu tragen.

„Ich weiß noch nicht, ob wir schon am Montag oder erst am Dienstag zurückkommen“, erklärte ich meiner Putzsekretärin. „Im Augenblick ist eh nicht viel los“, entgegnete Trude. „Da machen Sie sich mal keine Sorgen. Ich werde unser kleines Boot schon richtig in den Wind drehen.“ Ich sah Trude überrascht an. „Seit wann sind Sie so poetisch?“ Die gute Seele grinste über das ganze Gesicht. „Seit ich an dem Kurs an der Volkshochschule teilnehme.“ „Was für ein Kurs?“ „Wie werde ich Autor?“ Ich war von den Socken. „Seit wann interessieren Sie sich für die Schriftstellerei?“ „Es wird Zeit, dass Ihre Abenteuer endlich von jemandem aufgeschrieben werden.“

Auch wenn es sich um eine Schnapsidee handelte, fand ich den Gedanken, der dahintersteckte, mehr als lieb. „Da gibt es sicherlich interessantere Themen“, lächelte ich gerührt. „Welche denn?“ „Was halten Sie von Gedichten?“ „Sehe ich aus, als würde ich Poesie schreiben wollen?“ Auch wenn ich nicht wusste, wie sich dies äußerlich deuten ließ, schien mir ihr Einwand berechtigt. „Nicht wirklich“, resümierte ich schließlich. „Sehen Sie, Chef. Also Krimi, wo ich doch an der Quelle sitze.“ Auch wenn ich bezweifelte, dass Trude jemals einen Roman fertig schreiben würde, nahm ich mir vor, diesen, falls es eben doch so weit käme, vor einer Veröffentlichung ganz genau zu lesen.

„Sie wissen also Bescheid“, kehrte ich zu unserem eigentlichen Gespräch zurück. „Für den Fall, dass sich Herr Börner melden sollte, vertrösten Sie ihn einfach auf die nächste Woche.“ „Aber wenn er sie hier nicht erreicht, wird er Sie doch bestimmt auf dem Handy anrufen“, gab Trude zu bedenken. „Wir lassen unsere Handys daheim, sonst kommen wir doch nicht zur Ruhe“, erklärte ich. „Das wird ja ein richtiger Abenteuerurlaub“, feixte die gute Seele. „Es dürfte ja wohl kein Problem sein, für die Dauer eines Wochenendes auf ein Telefon zu verzichten.“ „Das sieht meine Nichte ganz anders“, krauste sich die Stirn meiner Putzsekretärin.

Das Thema Verzicht schien sich nicht ausschließlich auf den elektronischen Tausendsassa beschränken zu lassen. Als ich kurz darauf unsere Wohnungstür öffnen wollte und dabei gegen einen Berg aus Koffern und Taschen stieß, fragte ich mich, ob Miriam unter der Definition des Begriffes Kurztrip etwas anderes als ich verstand.

„Sag mal Schatz, du weißt schon, dass wir nur über das Wochenende wegfahren wollen?“ „Ach, da bist du ja endlich“, ging meine Liebste weder auf meine Frage ein, noch nahm sie sich die Zeit, mich vernünftig zu begrüßen. „Du kannst die Sachen gleich ins Auto tragen.“ „Ich habe unten gar keinen Möbelwagen gesehen“, entgegnete ich humorvoll. Miriam stellte ihre Aktivitäten ein und drehte sich endlich zu mir herum. „Wir fahren in die Wildnis, fernab jeglicher Zivilisation und wir haben ein Baby dabei. Da muss man auf alles vorbereitet sein.“

Ich verdrehte die Augen. „Wir fahren ins Bodetal und nicht in den brasilianischen Regenwald. Der Harz ist zwar nicht dicht besiedelt, aber es gibt überall Ortschaften und abgesehen davon ist unsere Hütte nur ein paar hundert Meter von der nächsten entfernt.“ „Es ist Herbst“, wandte Miriam ein. „Wahrscheinlich ist unsere Hütte weit und breit die einzige, die derzeit vermietet ist.“ „Hoffentlich“, brummte ich mir in den nicht vorhandenen Bart.

„Also, wenn wir nicht mit wenigstens zwei Wagen fahren wollen, dann reduzierst du bitte den Bestand der Koffer auf die Hälfte.“ Miriam starrte mich entsetzt an, aber sie fügte sich. Eine Erfahrung, die neu für mich war, die ich allerdings mit einer gewissen Erhabenheit genoss.

Eine Stunde und etwa zwölf Treppengänge später hatte ich tatsächlich all unser Gepäck im Wagen verstaut. Wobei mich das Gefühl beschlich, dass sich die Anzahl der Koffer nur unwesentlich reduziert hatte. Meine Sporttasche quetschte ich in den Fußraum hinter meinem Sitz, meine Angel und die Mauser 98, die ich mir extra für unseren Trip ausgeliehen hatte, fand ihren Platz neben dem Notrad. Das Tablett, mit der neusten Musik der Paradogs schob ich unter den Fahrersitz.

Als es schließlich losgehen sollte, fiel es mir wie Schuppen von den Augen. „Wo soll Bea eigentlich liegen?“ „Na, hinter der Rücksitzbank“, entgegnete Miriam selbstverständlich. „Gib es zu, Schatz, du willst mich gerade veräppeln.“ Dies muss der Moment gewesen sein, in dem meine Liebste begriff, dass sie jetzt keinesfalls etwas Falsches sagen sollte. „Falls der Platz neben dem Kindersitz nicht ausreicht, nehme ich Ramona zu mir nach vorn.“ „Bea ist eine deutsche Dogge und kein Jack Russel. Wie du sicherlich bereits bemerkt hast, ist die Rücksitzbank in unserem Skoda für Bea gerade noch ausreichend.“ Nun folgte ein Satz, der die gesamte Tragweite weiblicher Logik eindrucksvoll widerspiegelt. „Wir sollten uns demnächst über die Anschaffung eines größeren Autos unterhalten.“

-3-

Unsere Fahrt von Wolfenbüttel nach Thale und weiter in das romantische Bodetal war nun wirklich keine Fernreise. Nach etwas mehr als einer Stunde hatten wir die kleine Harzstadt erreicht. „Kann es sein, dass Bea gerade einen Pups gelassen hat?“, rümpfte Miriam die Nase. „Ich rieche nichts.“ „Männer!“ Eine Minute später war die Dunstwolke auch bei mir angekommen. „Das riecht nicht nach Bea“, befand ich voller Überzeugung. „Diese Marke duftet um eine Nuance extremer.“ Das parallel einsetzende Quengeln unseres Sonnenscheins klärte die Herkunft.

Auf dem Rathausplatz legten wir schließlich eine kleine Rast ein, um Bea etwas Auslauf und Miriam die Möglichkeit zum Windelwechsel zu verschaffen. Als ich kurz darauf zurückkehrte, kam mir Miriam bis über beide Ohren lächelnd mit einer gut gefüllten Einkaufstasche entgegen. „Sieh mal Schatz, was ich Hübsches gefunden habe.“ Ich wollte gerade losschimpfen, als mein Blick in die Papiertüte unter anderem einige neckische Dessous lokalisierte. „Ob wir das Tütchen wohl noch irgendwo unterbringen können?“, erkundigte sich Miriam mit einem Augenaufschlag, der für die kommenden Nächte knisternde Erotik verheißen ließ. „Worauf du dich verlassen kannst.“

Von Thale aus fuhren wir über die L240 am Harzer Bergtheater vorbei, ließen den Hexentanzplatz und die bekannte Bobbahn rechts liegen, um kurz darauf in einer Rechtskurve nach links in einen befestigten Wirtschaftsweg abzubiegen. „Bist du sicher, dass wir hier richtig sind?“, sah sich Miriam skeptisch um. „Das Navi wird uns schon ans Ziel bringen“, entgegnete ich zuversichtlich. „Dein Wort in Gottes Ohr.“

Nachdem wir einen Bach überquert hatten und kurz darauf nach rechts gelotst wurden, standen wir plötzlich vor unserem Ziel, dem Ochsensumpfteich. „Nun sieh dir das an“, lehnte ich mich entspannt zurück. „Ist das nicht herrlich hier?“ Miriam war sprachlos. „Weit und breit keine Menschenseele.“ „Wo ist die Hütte? Ich muss mal.“ „Wie kannst du bei einem solchen Anblick nur…?“ „Glaub mir, Leo, es ist besser, wenn du jetzt weiterfährst“, fiel mir meine Liebste ins Wort. Offenbar war bereits Gefahr im Verzug.

Hinter der nächsten Wegbiegung war dann auch Miriam von dem angetan, was sie sah. Die aus Holzstämmen gebaute Blockhütte thronte auf einem Fundament aus Felssteinen. Beim Anblick der Hütte wähnte ich mich als Trapper in Kanada. Nur die Bären fehlten noch.

„Du bist sicher, dass es sich wirklich um unsere Hütte handelt?“, schien Miriam der Sache noch immer nicht so ganz zu trauen. „Wenn der Schlüssel an dem vereinbarten Ort liegt, dürfte es wohl keinen Zweifel geben.“ Er befand sich unter einem Bottich auf der Veranda vor der Eingangstür. „Tatatata“, hielt ich unsere Eintrittskarte triumphierend in die Höhe. „Dem Himmel sei Dank“, lächelte mein Schatz erleichtert. „Und nun schließ bitte auf.“

Nachdem mir Miriam unser Kind in den Arm gedrückt hatte, eilte sie, nur von dem wenigen Licht geleitet, welches durch die noch offenstehende Eingangstür in die Hütte flutete, von Raum zu Raum, bis sie, inzwischen mit hochrotem Kopf, endlich das stille Örtchen gefunden hatte. Ramona und ich nutzten die Zeit, um uns in Ruhe alles anzusehen. Auf dem Esstisch fand ich schließlich ein Kuvert mit allem, was für unseren Aufenthalt wichtig war. „Hier läuft kein Wasser!“, hörte ich Miriam aus dem Bad rufen. „Ist klar“, entgegnete ich, „…das muss erst angedreht werden.“ „Und Licht gibt es auch nicht.“

Es brauchte einige Zeit, ehe ich die Fensterklappen geöffnet, den Generator für den elektrischen Strom angeworfen und das Wasser angedreht hatte. Mit jedem Gepäckstück, welches ich in die Hütte schleppte, zog mehr und mehr Behaglichkeit und eine gewisse Vertrautheit ein. Insofern war es gar nicht so schlecht, dass Miriam unseren halben Hausstand eingepackt hatte. Die Musik von meinem Tablett trug ihr Übriges dazu bei. Bis wir alles halbwegs verstaut hatten, war allerdings auch schon der größte Teil des Nachmittags vorüber.

„So langsam knurrt mir der Magen“, stellte ich nach getaner Arbeit fest. „Na, dann sieh mal zu, dass du uns etwas Schmackhaftes fängst“, lächelte mir Miriam erwartungsvoll zu. „Wie jetzt, hast du denn sonst nichts Essbares mit?“ „Natürlich, wenn du lieber Gläschen magst?“ Ich schluckte trocken. „Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?“ „Wieso, ich dachte, unsere Versorgung mit Fleisch und Fisch sei dir während unseres Ausflugs ein ganz besonderes Anliegen.“ „Ich äh…“ „…solltest dich besser beeilen, damit wir was in die Pfanne bekommen.“

Das hatte ich mir so nicht unbedingt vorgestellt, aber kneifen galt nicht. Schließlich hatte ich mein Gesicht zu wahren. So schnappte ich mir also meine Angel und nötigte Bea, mich zu begleiten. Die raffte sich nur widerwillig auf. Noch in Sichtweite zur Hütte, stießen wir auf einen kleinen Steg, auf dem wir uns nebeneinander niederließen. Ich fragte mich, was mit meinem Hund los war. Wo Bea sonst keine Gelegenheit ausließ, um herumzutollen, schien sie seit unserer Ankunft geradezu desinteressiert zu sein. Nachdem ich einen Regenwurm auf den Haken gespießt und den Köder sowie meine Füße ins Wasser getaucht hatte, hieß es warten.

Nach einer Weile fragte ich mich, ob es in diesem Teich überhaupt Fische gab. Je mehr Zeit verging, umso merkwürdiger wurden die Gedanken, die mir durch den Kopf schwirrten. So fragte ich mich zum Beispiel, ob es hier draußen einen Lieferservice gab. Dummerweise hatten wir unsere Handys daheim gelassen. Diese Option fiel also somit weg. Während ich so auf dem in die Jahre gekommenen Holzsteg auf Beute lauerte, bemerkte ich, wie das Wetter allmählich umschlug. Immer mehr Wolken zogen auf, färbten sich immer dunkler und verdrängten die Sonne. Da, wo sich gerade noch zahllose Insekten über dem Wasser in den wärmenden Sonnenstrahlen tummelten, klatschten nun die ersten Tröpfchen auf die Wasseroberfläche.

Somit beschloss ich, die Angel einzuholen und unverrichteter Dinge zur Hütte zurückzukehren. Einen guten Grund hatte ich ja jetzt. Zu meiner Überraschung befand sich plötzlich ein Fisch am Haken. Keine Ahnung, wie er dort hingekommen war. Der Einzug des Helden in die Jagdhütte fiel dementsprechend euphorisch aus.

„Nun sag bloß, ihr habt tatsächlich einen Fisch gefangen?“, empfing uns Miriam überrascht. Ich legte meine Stirn in Falten. „Du hast doch wohl nicht daran gezweifelt.“ „Nicht eine Sekunde“, log meine Liebste verschmitzt, während sie mir durch das Haar strich. „Ihr kommt gerade rechtzeitig. Das Essen ist fertig.“ „Du musst den Fisch doch erst noch ausnehmen und braten.“ „Setzt dich, deinen Fang gibt es morgen. Für heute Abend habe ich uns ein Steak zubereitet.“ Ich stemmte die Fäuste in die Hüften. „Du hast mich also veräppelt.“ „Ja hast du denn wirklich geglaubt, ich würde ohne genügend Lebensmittel in die Pampa fahren?“

Während Ramona bereits in ihrem Faltbettchen lag und zufrieden schlummerte, bemerkten wir, wie aufkommender Wind an den Fensterläden rüttelte. „Wir sollten die Klappen schließen“, schlug ich vor. „Hier oben in den Bergen ist das Wetter rauer.“ „Wir sind hier zwar nicht in den Alpen, aber wenn du meinst, dass es sicherer ist…“ Kurz darauf saßen wir endlich am Esstisch und ich erzählte voller Enthusiasmus von meinen Anglerqualitäten.

„Du bist eine tolle Frau, Miriam“, nahm ich sie beim Geschirrspülen in den Arm. „Schön, dass wir endlich mal wieder Zeit für uns haben.“ „Das finde ich auch, Leopold und wenn du uns morgen auch noch einen Hasen schießt, bist du mein Held.“ „Du nimmst mich doch schon wieder hoch“, kniff ich ein Auge zu, während ich sie mit dem anderen argwöhnisch musterte. Ein lautes Poltern unterbrach schlagartig unser Gespräch.

„Da ist was aufs Dach gefallen“, schlussfolgerte ich aus den Geräuschen und schnappte mir meine Jacke. „Du willst doch wohl jetzt nicht nach draußen gehen?“, hielt mich Miriam zurück. „Ich muss doch nachsehen, ob etwas passiert ist.“ „Es ist dunkel, du kannst jetzt eh nichts erkennen.“ „Doch, mit der Taschenlampe aus dem Wagen.“ „Dann nimm wenigstens Bea mit raus“, schlug Miriam vor. Woraufhin mir unsere unerschrockene Dogge brummend den Allerwertesten zudrehte. „Wie du siehst, hält Bea nicht allzu viel von deiner Idee.“ „Schäm dich, Bea.“ Im nächsten Moment verließ ich die Hütte.

Der Regen hatte ebenso zugenommen wie der Wind. Blitze zuckten am Himmel. Der Donner grollte noch in der Ferne, kam jedoch mit jeder Minute näher. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis uns das Unwetter erreichen würde. Im Lichtkegel meiner Taschenlampe zeichneten sich die Konturen eines großen Astes ab, der sich von der hinter der Hütte stehenden Eiche auf das Dach senkte und nun vom Wind wie ein riesiger Besen hin und her geschoben wurde. Während der Ast angebrochen war, schien der Baum selbst fest verwurzelt und stellte, soweit ich dies beurteilen konnte, keine Gefahr für uns da.

-4-

„Das hat uns gerade noch gefehlt“, ärgerte sich der Professor. „Ausgerechnet jetzt zieht ein Gewitter auf.“ „Wir sind bestimmt gleich da, Helke, und dann machen wir es uns so richtig gemütlich“, redete Ida beruhigend auf ihren Ehemann ein. „Vorausgesetzt dieses Navi lotst uns nicht in die Walachei.“ „Musst du immer so pessimistisch sein? Ich denke, Doktor Ungemut hat dir erklärt, wie du fahren musst.“ „Du kennst ihn doch, bis der auf den Punkt kommt, hast du den Beginn seiner Ausführungen schon wieder vergessen.“

Im nächsten Augenblick steuerte der Professor den Wagen um eine enge Kurve und scheinbar wie aus dem Nichts tauchte das Ferienhaus des Kollegen auf. „Hallo, das ist ja voll der Hammer!“, brachte Ida ihr Erstaunen in ihrer ganz eigenen Art und Weise zum Ausdruck. „Da hat das Doktorchen aber nicht zu viel versprochen.“

Dem Ehepaar bot sich eine Szene wie aus einem Heimatfilm. „Jetzt fehlt nur noch der Bergdoktor“, witzelte Ida. „Es würde mich nicht im Mindesten wundern, wenn uns Graf Dracula die Tür öffnen würde. Hoffentlich regnet es da nicht rein“, nahm ihr Helke jegliche Vorfreude. „Du bist ein totaler Ignorant“, beschwerte sich die junge Frau. „Du musst diese Idylle auf dich wirken lassen. Die Nebelfetzen da in den Bäumen, dazu die Blitze…“ Der Professor verdrehte die Augen. „Ich sag's ja, wie in einem Horrorfilm.“ „Du bist unmöglich!“

Während die beiden darauf warteten, dass der Regen nachließ, nahm er stetig zu. „Wenn wir nicht die ganze Nacht im Wagen verbringen wollen, sollten wir jetzt aussteigen“, schlug Ida vor. „Es regnet sich ein.“ „Was spricht eigentlich dagegen, wenn wir jetzt umdrehen und nach Hause fahren?“, überlegte Helke lustlos und von den Begebenheiten genervt. „Das mögliche Ende einer glücklichen Beziehung“, entgegnete Ida pikiert. Ihr Blick ließ keinerlei Zweifel offen. „Dann sollten wir besser zusehen, dass wir das Nötigste ins Haus bekommen.“

Eine gute Stunde später sorgte der brennende Kamin dafür, dass die Kleidung des Professors wieder trocknete. Ida wusste nur zu gut, welches Opfer ihr Mann brachte. Helke war ein Stadtmensch und durch und durch ein Forscher und Entwickler. Wenn er sich nun zu diesem Ausflug von ihr hatte breitschlagen lassen, dann nur, weil er Ida eine Freude machen wollte und weil er wusste, wie es in letzter Zeit um ihre Ehe bestellt war. Als sich das erst seit einem Jahr verheiratete Paar kurz vor ihrer Trauung bei einem Physikerkongress in Tallin kennen und lieben lernte, schien es für beide die Liebe ihres Lebens zu sein, doch mit der Rückkehr in die Normalität verlor sich die Euphorie in eine Mischung aus Ernüchterung und Langerweile.

Ida war acht Jahre jünger als Helke. Was eigentlich kein sonderlich großer Altersunterschied darstellte, aber so impulsiv und lebensfroh Ida war, so ruhig und bodenständig war der Professor. Gegensätze ziehen sich an, aber sie bringen auch die Gefahr mit sich, dass die Interessen sehr unterschiedlich sind.

„Ich bin gespannt, wie lange der Solarstrom reicht“, unkte Helke. „Ich finde es prima, dass es hier überhaupt elektrische Energie gibt“, zeigte sich Ida begeistert. Der Professor teilte die Freude seiner Frau nur beiläufig. Stattdessen stakste er von einem Raum zum nächsten und suchte mit seinem Handy in der Hand nach einer Verbindung. „Ich bekomme mit dem Smartphone kein Netz.“ Ida verbarg ihre Schadenfreude. „Sieh es doch mal positiv, Helke. Vielleicht können wir so endlich mal wieder einige stimmungsvolle Tage miteinander verbringen.“

„Sag mal, hast du eigentlich genügend Lebensmittel mitgenommen?“, schien der Professor Idas Gefühle zu ignorieren. Die junge Frau schüttelte mit dem Kopf, während sie sich von ihrem Mann abwandte und ihn wortlos stehen ließ. Für den Augenblick hatte sie genug von seiner ignoranten Art. Sie stellte eine Pfanne auf den Gasherd und griff nach den Eiern. „Wenigstens läuft mein Laptop“, hörte sie Helke halbwegs zufrieden. Na dann steht ja deiner Arbeit nichts mehr im Wege, murmelte sie verärgert.

Während Ida am Herd stand und das Abendessen zubereitete, nahm das Unwetter immer mehr an Intensität zu. Starkregen trommelte auf das Dach der Hütte und der Sturm rüttelte an den Fensterklappen, als die Tür zur Veranda plötzlich aufgerissen wurde und zwei maskierte Männer mit Schusswaffen im Anschlag hereinstürmten. Sie überrumpelten den Professor und seine Frau, ohne dabei zimperlich zu sein. Ein heftiger Schlag ins Gesicht ließ den völlig konsternierten Physiker taumeln und schließlich zu Boden gehen.

Beide wurden an Händen und Beinen gefesselt und jeweils auf Stühle gesetzt. „Was wollen Sie von uns?“, fragte Ida verängstigt. „Wir haben nicht viel Geld dabei, aber Sie können alles haben“, bot ihnen Helke an. „Eure Pimperlinge interessieren uns nicht“, entgegnete der Wortführer. „Wir wissen von Ihrem Forschungsprojekt an der PTB und wir wissen, dass Sie die Unterlagen für die Präsentation Ihrer Erfindung bei sich haben.“ „Ich weiß nicht, von wem Sie diesen Bullshit haben“, widersprach der Physiker, “...aber wenn es so wäre, dürfte ich solche Unterlagen gar nicht mitnehmen.“

Ein weiterer Schlag in das Gesicht des Professors ließ keinen Zweifel an der Entschlossenheit der Männer. „Versuchen Sie mich gar nicht erst zu verarschen! Ich nehme an, die Forschungsergebnisse befinden sich auf dem Laptop?“ „Sie befinden sich nur zu einem kleinen Teil darauf. Die Daten allein bringen Ihnen rein gar nichts.“

„Na, dann macht es Ihnen ja nichts aus, wenn Sie uns diese übergeben“, lächelte der Wortführer noch gelassen. „Abgesehen davon sind die Daten durch ein Passwort gesichert“, fügte der Professor an. „Wenn Sie mich umbringen, kommen Sie nie an die Unterlagen.“ „Nun, wir könnten Ihnen gut zureden, aber offenbar sind Sie hart im Nehmen. Die Frage ist nur, ob dies wohl auch für Ihre attraktive Frau gilt? Mein Kumpel steht derzeit etwas auf dem Schlauch. Ihre reizende Gattin könnte da eine willkommene Abwechslung sein.“

„Lassen Sie meine Frau in Ruhe, die kennt das Passwort nicht!“ „Dann sollten Sie es uns besser verraten, ehe sich mein Freund mit ihr vergnügt.“ Der Professor wandte sich Ida zu. „Sie werden dir nichts tun, Schatz, vertrau mir.“ Der jüngere der beiden Männer grinste genüsslich, während er von hinten an den Stuhl der gefesselten Frau trat und mit seinen Händen herausfordernd über ihre Brüste streichelte. Ida war angewidert, versuchte sich seinen Berührungen zu entziehen. „Jetzt sag ihm schon das verdammte Passwort!“, forderte sie ihren Mann auf.

„Es tut mir leid, aber das kann ich nicht“, entgegnete der Professor auch jetzt noch relativ entspannt. Der Wortführer nickte seinem Kumpel zu, woraufhin dieser nun auch Idas Mund knebelte und ihre Bluse aufriss. Die junge Frau bekam Panik, als sie vom Stuhl in den Nebenraum mitgerissen wurde. Jegliche Gegenwehr verpuffte. Blankes Entsetzen und eine unbeschreibliche Angst ließen ihr das Blut in den Adern stocken.

„Hören Sie auf!“, schrie Helke den Wortführer an. „Ich gebe Ihnen das Passwort, aber lassen Sie meine Frau in Ruhe!“ „Okay, Mike, lass sie“, rief der Gangster seinem Komplizen zu. Der ließ nur sehr widerwillig von der Estin ab und kehrte zum Laptop des Physikers zurück. „Also“, forderte er, “...was ist jetzt, worauf wartest du?“ Der Professor hatte keine Wahl. Zögerlich gab er den Code ein und öffnete die Dateien. der Wortführer setzte sich an den Rechner und prüfte das, was ihm Helke geöffnet hatte.

„Der Herr Professor will uns offenbar für dumm verkaufen“, resümierte er kurze Zeit später. „Diese Daten sind nur ein Bruchteil dessen, was für die Umsetzung nötig ist.“ „Das ist alles, was ich hier habe“, beschwor Helke. „Wenn das so ist, Mike, dann kannst du da weitermachen, wo du eben aufgehört hast.“ Sein Kumpan grinste zufrieden, während er in den Schlafraum zurückkehrte. „Sie ist weg!“, stellte er im nächsten Moment fest. „Dann such sie!“, schrie ihn der Mann am Laptop an. Mit demselben Atemzug wurde vor der Hütte ein Wagen gestartet. „Wir müssen hinterher, sonst entkommt uns das Luder.“

-5-

„Das Unwetter wird immer heftiger“, schloss ich hinter Bea und mir die Tür. „Allmählich mache ich mir Sorgen. Hoffentlich bricht nicht noch so ein Ast ab und demoliert dann unseren Wagen.“ „Du solltest nicht immer so pessimistisch sein, Leo. Wenigstens brauchst du heute nicht mehr mit dem Hund raus.“ Miriam reichte mir ein Glas Rotwein. „Kann es sein, dass du noch etwas vorhast?“ Meine Liebste legte den Finger über ihre Lippen und zog mich mit sich auf das Sofa und kuschelte sich an mich.

Wir erzählten von unserer Hochzeit und von der Ballonfahrt, bei der ich Miriam den Antrag machte. Wir lachten, als uns Beas Fressattacke im Rathaus einfiel und ich erinnerte mich, als ich mich beinahe mit Miriams Bruder prügelte. „Meine Güte, was hatten wir für verrückte Zeiten“, amüsierten wir uns, als plötzlich irgendetwas gegen die Eingangstür der Hütte polterte.

Bea schreckte zuerst auf, dann vernahmen Miriam und ich ebenfalls Geräusche und schließlich eine kraftlose Stimme. „Hast du das gehört, Leo?“ „Da draußen ist jemand“. lauschte ich. Als ich näherkam, konnte ich nur noch einen leisen Hilferuf hören. Nachdem ich die Tür geöffnet hatte, sank mir eine völlig entkräftete Frau in die Arme. Ich fing sie auf und legte sie auf das Sofa. Da auf meine Rufe keine Antwort kam, schien außer ihr niemand in der Nähe zu sein.

Während Miriam ihr die nassen Klamotten auszog und heißen Tee einflößte, erholte sie sich langsam. „Mein Mann, bitte helfen Sie meinem Mann“, stammelte sie immer wieder. „Rufen Sie bitte die Polizei.“ „Wir haben hier leider kein Telefon“, erklärte ich. „Wer sind Sie und was ist passiert?“, hakte ich nach. „Ich bin Ida. Mein Mann und ich wohnen über das Wochenende ganz in der Nähe, in der Jagdhütte eines Bekannten. Wir hatten uns gerade häuslich eingerichtet, als zwei maskierte Gangster eindrangen und meinen Mann und mich brutal überwältigten und fesselten.“

Bislang deutete alles auf einen Raubüberfall. „Was wollten die Männer von Ihnen?“, brachte es Miriam auf den Punkt. „Mein Mann ist Entwicklungsleiter an der Physikalisch Technischen Bundesanstalt. Seine neuste Erfindung sollte Menschenleben retten, doch wenn ihm niemand zur Hilfe kommt, wird er sein eigenes Leben verlieren.“

„Sie sprachen von zwei Männern, die in Ihre Hütte eindrangen“, fasste ich zusammen. „Wie konnten Sie ihnen entkommen?“ „Einer der Männer drohte damit, mich zu vergewaltigen, damit ihnen mein Mann das Passwort für die Unterlagen gab. Als er daraufhin von mir abließ, gelang es mir, meine Fesseln zu lösen und durch ein Fester hinauszukommen. Vor der Hütte konnte ich dann unseren Wagen starten“, fuhr die Frau fort, die sich Ida nannte. „Nicht weit von hier versperrte mir ein umgekippter Baum den Weg. Von dort aus lief ich dann quer durch den Wald, bis ich zu dieser Hütte kam.“

„Waren die Gangster bewaffnet?“, stellte ich eine der Fragen, die mich bereits seit einigen Minuten beschäftigten. Ida nickte. „Ich habe zwei Pistolen gesehen. „Das dachte ich mir. Wir können uns nicht darauf verlassen, dass die Ganoven nicht zu dieser Hütte finden. „Am besten verstecken wir Sie im Spitzboden und tun so, als wenn wir Sie nicht gesehen haben.“ „Die werden Ihnen nicht glauben!“, reagierte Ida angsterfüllt. „Wir müssen hier so schnell wie möglich verschwinden, um Hilfe zu holen.“

Miriam und ich stimmten uns mit einem einzigen Blick ab. „Okay, ich hole Ramona aus Ihrem Bettchen.“ „Ich mache unterdessen den Wagen startklar“, griff ich ihre Gedanken auf. Als ich im nächsten Moment mit dem Gewehr in der Hand die Hütte verlassen wollte, bollerte jemand von draußen an die Tür. „Hallo, ist jemand zu Hause?“, erkundigte sich eine männliche Stimme. Ich wandte mich den Frauen zu. „Versteckt euch“, flüsterte ich. Ida und Miriam beeilten sich, um in den hinteren Bereich der Hütte zu gelangen.

„Wer ist da?“, fragte ich kurz darauf durch die noch verschlossene Tür. „Entschuldigen Sie die nächtliche Störung, aber ich habe mich mit meinem Wagen festgefahren“, entgegnete die Stimme. „Ich bräuchte jemanden, der mich freischleppt.“ „Wo wollten Sie denn hin?“, hakte ich nach, während ich die Tür geschlossen hielt. „Ich habe mich wohl hoffnungslos verfahren“, wich der Mann vor der Hütte meiner Frage aus. „Aber wo wollten Sie denn nun hin?“, widerholte ich meine Frage. „Weshalb öffnen Sie nicht die Tür? Es ließe sich doch sicherlich einfacher miteinander unterhalten.“

„Wenn Sie wollen, rufe ich Ihnen einen Abschleppdienst. Der würde innerhalb einer Stunde hier sein“, schlug ich vor, ohne auf seine Bitte einzugehen. „Hören Sie, ich habe mich bei dem Unfall mit meinem Wagen etwas verletzt. Vielleicht haben Sie wenigstens einen Verband für mich?“, wechselte er seine Strategie. „Selbst dann, wenn Sie der Schah von Persien wären, würde ich Sie nicht hereinlassen. Wenn Sie also einen Abschleppwagen brauchen, dann rufe ich gern einen für Sie an.“

Natürlich war es spätestens dieser Augenblick, in dem der Kerl und ich genau wussten, was die Stunde geschlagen hatte. „Hören Sie, es ist mir völlig egal, wer Sie sind und was Sie sind. Wenn Sie die Sonne noch einmal aufgehen sehen wollen, dann geben Sie mir die Frau heraus! Wir wissen, dass sie in der Hütte ist.“ „Die Polizei ist bereits auf dem Weg hier her“, bluffte ich. „Da ich Ihnen die Frau ganz bestimmt nicht herausgeben werde, bliebe Ihnen sicher nicht genug Zeit, um gewaltsam in die Hütte einzudringen. Ich schlage daher vor, dass Sie sich, solange Sie noch können, aus dem Staub machen.“

Mit dem nächsten Wimpernschlag krachte ein Schuss. Das Projektil hackte einen Span aus der Tür und grub sich tief ins Holz. Bea bellte wütend. Sie wusste nicht wirklich, was geschah, aber ihr Instinkt sagte ihr, dass wir alle in großer Gefahr waren. „Hören Sie, Ihre Töle wird Ihnen nichts nutzen. Dies ist Ihre letzte Chance!“, drohte er. „Stellen Sie sich mir besser nicht in den Weg!“ „Wie gesagt, die Polizei wird jeden Moment hier sein“, blieb ich bei meinem Bluff. „Ganz wie Sie wollen.“

So massiv das Blockhaus auch gebaut war und einigen wütenden Schüssen Paroli bieten konnte, so konnte es uns nur für einige Zeit lang Sicherheit bieten. „Passt auf die Fensterklappen auf und löscht das Licht“, flüsterte ich den Frauen zu. Während Miriam halbwegs gefasst war, stand Ida kurz vor einer Panikattacke. Ich war mir sicher, dass es die Kerle nicht bei einigen Pistolenschüssen belassen würden, aber als ich kurz darauf Benzingeruch an der Tür bemerkte, war ich doch erschrocken, denn ihre Absicht war klar.

„Falls es euch da drinnen zu warm wird, könnt ihr gern zu uns nach draußen kommen.“ „Nette Idee, aber selbst das wird nicht schnell genug gehen“, blieb ich äußerlich gelassen. Gleichzeitig veranlasste ich die Frauen, alle Behälter zusammenzusuchen und mit Löschwasser zu füllen. Einige Minuten lang herrschte Ruhe. Der Mann vor der Tür konnte nicht mit Gewissheit davon ausgehen, dass es sich bei meinem angeblichen Anruf bei der Polizei um einen Bluff handelte. Er musste zumindest die Möglichkeit eines Polizeieinsatzes in Betracht ziehen. Die Zeit lief ihm davon. Seine Reaktion ließ nicht lange auf sich warten.

Bereits mit demselben Atemzug wurde eine der hinteren Fensterklappen aufgerissen und die Scheibe zerschlagen. Die Frauen schrien, während einer der Männer durch die Öffnung in die Hütte eindrang. Quasi gleichzeitig wurde der Eindringling durch Bea rücklings umgerissen. Ihr Biss in die Hand, in der er seine Knarre hielt, bewirkte, dass er dieselbe fallen ließ. „das war der Kerl, der mich vergewaltigen wollte“, erkannte Ida ihren Peiniger. Ich habe Bea nie zuvor so wütend gesehen. Als sich ihr Maul unmittelbar an seinem Hals befand, wagte er nicht mehr den leisesten Mucks, geschweige denn auch nur eine zaghafte Bewegung. Ich konnte die Waffe an mich nehmen und ihn mühelos fesseln und knebeln.

Es war klar, dass der Mann an der Tür schon bald merken würde, dass sich sein Kumpan nicht mehr meldet. Also musste ich das Fenster irgendwie verschließen, bevor der zweite Gangster ebenfalls dort auftauchte. Während sich das Feuer inzwischen an der gesamten Tür und an den umgebenden Balken der Wände emporfraß, versuchte ich die Innenseite des Holzes mit dem bereitstehenden Löschwasser feucht zu halten. Gleichzeitig schoben die Frauen gemeinsam ein schweres Holzbüfett vor das zerschlagene Fenster. Plötzlich fielen Schüsse. Die Ereignisse überschlugen sich.

Offenbar feuerte der Gangster unkontrolliert auf die brennende Tür. Während Bea und Ramona hinter einem Mauervorsprung in Sicherheit waren, fanden Ida und Miriam hinter dem Schrank Schutz. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich flach auf den Boden zu werfen. Nachdem die Schüsse verstummten, vernahm ich ein unterdrücktes Stöhnen. Meine Angst davor, dass es eine der Frauen erwischt haben konnte, relativierte sich, als ich im flackernden Feuerschein den gefesselten Gangster erkannte. Ein Geschoss hatte ihn im Bauchraum erwischt.

„Sie haben gerade eben Ihren Komplizen angeschossen“, rief ich dem Mann vor der Tür zu. „Wenn er nicht umgehend zu einem Arzt kommt, wird er die Sonne ebenfalls nicht mehr aufgehen sehen“, griff ich seine Formulierung auf. „Dann geben Sie dem Idioten doch die Kugel“, ließ uns der Kerl spüren, welchen Stellenwert ein Leben für ihn hatte. „Dieser skrupellose Typ hockt genüsslich vor der Hütte und braucht nur darauf zu warten, bis der Qualm zu stark wird oder uns das Feuer keine andere Wahl lässt“, überlegte Ida. „Ich werde ihm die Unterlagen bringen, dann lässt er euch wenigstens am Leben.“ „Unsinn!“, hinderte sie Miriam daran sich aufzuopfern. „Er kann uns nicht am Leben lassen, weil wir zu viel wissen.“

Der Qualm wurde immer beißender. Unser Kind befand sich in absoluter Gefahr. „Ihr müsst hier irgendwie raus!“, sah ich mich verzweifelt um. „Was ist mit einem der Fenster?“, überlegte Miriam. „Wenn du ihn an der Tür ablenkst, könnten wir durch eines der hinteren Fenster flüchten.“ „Ich fürchte, dass er genau darauf wartet.“ „Aber wir können doch hier nicht tatenlos herumsitzen, bis wir erstickt sind“, schob Ida Panik. „Das werden wir auch nicht“, zog ich zuversichtlich den Teppich unter dem Wohnzimmertisch zur Seite. „Woher wusstest du von der Klappe?“, starrte mich Miriam fragend an. „Es war so etwas wie eine Eingabe“, zuckte ich mit den Achseln. „Los beeilt euch!“ „Es geht um diesen Stick“, überraschte mich Ida. „Den will er haben.“

Sie drückte mir den Datenträger in die Hand und kletterte als erste hinunter. Zwei leuchtend gelbe Hände nahmen Ramona entgegen und verschwanden in der Dunkelheit. Miriam folgte ihr. „Seht zu, dass ihr im Schutz des Waldes bis zur Hauptstraße flüchtet.“ „Wir gehen nicht ohne dich“, weigerte sich die Frau, die sonst eigentlich die Stärkere von uns beiden war. „Dann werden wir nicht weit kommen“, gab ich zu bedenken. „Bea und ich bleiben hier, um den Gangster abzulenken. Beeilt euch jetzt und bleibt im Sichtschatten der Hütte.“ Miriam gab mir einen Kuss. „Pass auf euch auf, Leopold.“ „Und du auf euch...“ Damit verschwanden sie unter der Hütte. Ich schloss die Klappe und zog den Teppich wieder darüber. Warum eigentlich? Das Feuer würde kein Brett, keinen Balken und auch sonst nichts von dieser Hütte verschonen, auch Bea und mich nicht.

Sintflutartiger Regen ergoss sich plötzlich in einer Intensität vom Himmel, wie ich es nie zuvor erlebt hatte. Anstatt binnen weniger Minuten auf das gesamte Gebäude überzugreifen, wurde das Feuer schlagartig gelöscht. Ich setzte mich mit dem Rücken an die Mauer neben den schwerverletzten Gangster. Noch atmete er. Ich entfernte den Knebel aus seinem Mund und löste seine Fesseln. Der konnte mir ganz sicher nicht mehr gefährlich werden. Seine Verletzungen waren viel zu schwerwiegend. Als er husten musste, spuckte er Blut. Sein Blick sprach Bände. Einige Stunden zuvor hatte er noch eine wehrlose Frau vergewaltigen wollen. Ich nahm den USB Stick und kopierte ihn auf das Tablett. „Wer steckt hinter alledem?“, fragte ich den sterbenden Mann. „Keine Ahnung“, hustete er, “...ich weiß es nicht.“

Zumindest war der Plan des Gangsters, die Blockhütte abzufackeln, nicht aufgegangen. Das robust gebaute Gebäude trotzte ihm also weiterhin. Mit diesem Wissen hätten sich die Frauen nicht auf den gefahrvollen Weg machen müssen. „Ida“, rief der Ganove plötzlich laut und deutlich bei ihrem Vornamen. „Wenn du mir den Stick aushändigst, lasse ich euch gehen. Wenn nicht, wird dein Mann sterben.“ „Wie stellen Sie sich die Übergabe vor?“, antwortete ich anstatt ihrer. „Wir treffen uns drüben an der anderen Hütte. Zug um Zug.“ „Wann?“ „In zwei Stunden, also um acht Uhr.“

Kein schlechter Schachzug. Auf diese Weise wäre er beim eventuellen Eintreffen der Polizei nicht mehr hier, konnte sich jedoch ganz in der Nähe auf die Lauer legen und herausfinden, ob ich nicht doch geblufft hatte. Wenn ich den Professor retten wollte, blieb mir nichts anderes übrig, als auf den Vorschlag des Gangsters einzugehen. Die Frage war, ob die Frauen in dieser Zeit Hilfe verständigen konnten. Wenn nicht, stand mir ein Himmelfahrtskommando bevor.

Mein Blick folgte dem Verbrecher durch die schmalen Ritzen, die sich zwischen den Fensterklappen ergaben, bis er zwischen den Bäumen im Wald verschwand. Nicht ein einziges Mal, während er sich vor der Hütte aufhielt, hatte er seine Sturmmütze abgenommen. So auch zum Schluss nicht, als die Nacht bald vorüber war. Um sicher zu gehen, dass er nicht doch zurückkehrte, beobachtete ich die Baumreihe und das angrenzende Gelände noch eine ganze Weile, ehe ich nach seinen schwerverletzten Kumpanen sah. Der Mann röchelte sozusagen auf der letzten Rille. Es war keine Frage mehr, ob er sterben würde, es war nur noch eine Frage, wann er die Segel strich. „Es tut mir leid, aber ich kann nicht bei Ihnen bleiben“, seufzte ich. „Gehen Sie nur und retten Sie Ihre Familie.“ Ich nickte ihm kurz zu und beeilte mich.

Nachdem ich mich mit dem Revolver des Sterbenden, der Jagdflinte und meiner eigenen Pistole bewaffnet hatte, sah ich ein letztes Mal zu der Stelle, wo ich den Gangster aus den Augen verloren hatte. Ich fragte mich, was ihn so kurz vor dem Ziel zu einem Strategiewechsel veranlasst hatte. Der Grund dafür sollte sich mir schon kurze Zeit später offenbaren.

Da die eigentliche Tür noch immer kokelte und es somit mehr als schwierig war, sie zu bewegen, verließen Bea und ich die Hütte durch eines der Fenster. Es regnete immer noch in Strömen. „So Bea, jetzt bist du dran“, forderte ich ihre Aufmerksamkeit. „Such Miriam und Ramona!“ Entgegen langläufiger Meinungen ist es nicht starker Regen, der einen Fährtenhund eine Spur nicht folgen lässt, sondern Wind. Während sich abgestoßene Hautpartikel auch in Feuchtigkeit halten und somit durch den feinen Geruchssinn eines Hundes aufgenommen werden können, werden sie bei Wind hingegen verweht. Bea reagierte sofort, indem sie um die Hütte rannte und vor dem Schuppen stehen blieb. „Nein Bea, hier nicht, wir müssen in den Wald!“ Doch die Dogge blieb wie angewurzelt stehen und begann zu bellen.

„Bea? Leo? Seid ihr da draußen?“, hörte ich Miriams Stimme. Ich glaubte einer Sinnestäuschung aufzusitzen. „Miriam? Wieso seid ihr im Schuppen?“ Ein Blick zum Vorhängeschloss ließ die Antwort erahnen. Ich selbst hatte es, nachdem der Generator für den Strom und das Wasser angestellt waren, wieder verschlossen. Der Schlüssel befand sich sogar noch in meiner Hosentasche. Ich schloss auf und nahm meine Liebste erleichtert in die Arme.

„Ich verstehe nicht so recht.“ „Es gibt keinen anderen Zugang unter das Haus“, erklärte Ida. „Und wenn wir das Schloss von innen geknackt hätten, wäre der Gangster auf uns aufmerksam geworden“, ergänzte Miriam. „Solange das Feuer nicht schlimmer wütete, waren wir hier unten in Sicherheit.“ Ich stimmte ihnen zu. „Wir konnten doch nicht mit dem Säugling durch den Sturm.“ „Nein, nein, alles gut. Ihr habt alles richtig gemacht, aber nun müsst ihr Hilfe holen“, beruhigte ich die Frauen.

„Was ist mit meinem Mann?“ Ich sah auf meine Uhr, dann zu Ida. „Um acht soll an ihrer Jagdhütte der Austausch der Dokumente stattfinden.“ „Das sind nur noch etwas mehr als eineinhalb Stunden“, überlegte Miriam. „Am besten nehmt ihr unseren Wagen und fahrt bis ihr mit dem Handy die Polizei benachrichtigen könnt.“ „Wer weiß, ob wir bei dem Sturm überhaupt eine Verbindung bekommen“, seufzte Miriam skeptisch.

Am Wagen angelangt, zeigte sich, dass alle vier Reifen angestochen waren. „So ein Mistkerl!“, ärgerte sich Miriam. „Das ist jetzt nicht zu ändern“, winkte ich ab. „Solange sich der Motor starten lässt und Benzin im Tank ist, kann man mit dem Wagen fahren. Ihr müsst nur aufpassen, dass ihr auf dem schlammigen Waldboden nicht ins Rutschen kommt.“ Ida setzte sich hinter das Steuer und ließ den Motor an. „Zumindest kommt Ramona endlich wieder ins Trockene. Es ist ein Wunder, wie geduldig sie ist.“ „Hast du bei dem Vater etwas anderes erwartet?“, streichelte ich meiner Kleinen zärtlich über die Wange. „Sie schläft einfach weiter“, lächelte Miriam stolz. „Passt auf euch auf.“ „Es wird alles gut.“

-6-

„Der Wagen fährt sich wie auf Eiern“, merkte Ida an, während sie meinen Wagen halbwegs in der Spur zu halten versuchte. Der Waldweg war vom heftigen Regen unter Wasser gesetzt. Manchenorts glich er einem Bach. Hin und wieder driftete der Wagen seitlich nah an die Bäume. Ida lenkte dann behutsam dagegen und verhinderte so, dass der Wagen vom Weg abkam.

„Verdammter Mist, wir müssten doch langsam hier raus sein“, fluchte Miriam, als Ida den Skoda einmal mehr im Schlamm festgefahren hatte. „Ich schaffe es nicht, wir stecken zu tief drinnen.“ „Ich steige aus und schiebe“, verkündete Miriam kurzentschlossen.

Einige Fehlversuche später und völlig durchnässt rollte der Wagen wieder. Weit kamen die Frauen auch jetzt nicht. Der kleine Steg, den wir auf der Anreise überquert hatten, war von den Fluten des Wildbaches kurzerhand mitgerissen worden. Nur Idas guter Reaktion war es zu verdanken, dass der Wagen nicht ebenfalls in den Bach stürzte und ebenfalls mitgerissen wurde.

„Puh, das war knapp“, atmete Ida erleichtert auf, als sie sah, wie viel Glück sie hatten. „Was machen wir denn nun?“, suchten die beiden Frauen nach einem Ausweg. „Es ist fast sieben Uhr. Leo wird bald an der Hütte ankommen, dann braucht er die Hilfe der Polizei.“ Ida starrte hinaus in die Dämmerung des Morgens. Noch immer peitschte der Wind den Regen gegen die Scheiben. Ab und an schlug ein Zeig, den der Sturm irgendwo abgerissen hatte, auf das Dach und schreckte sie auf.

„Wir sind am Ende“, resignierte die Frau des Professors. „Wie sollen wir von hier aus weiterkommen?“ Selbst Miriam wusste keinen Rat. Ihre Sorge um mich, aber auch um Ramona wuchs mit jeder Minute. Wenigstens lief der Motor und schaufelte warme Luft in den Wagen. „Wenn Ihr Mann den Datenträger gegen meinen Mann austauscht, geht doch noch alles gut aus, oder?“, fing sich Ida wieder. Sie sah Miriam flehentlich an. „Ich meine, welchen Grund sollte der Gangster haben, um Helke nicht freizulassen?“ „Ich will Ihnen nicht die Hoffnung nehmen, aber bei einem Profi und dieser Mann ist nach meiner Auffassung ein Berufsverbrecher, muss man mit dem Schlimmsten rechnen.“

Ida hatte verstanden. „Sie denken, es wäre besser, wenn ich Hilfe hole.“ „Diese Entscheidung müssen Sie selber treffen. Ich kann Ihnen nur sagen, dass ich es versuchen würde, wenn ich ohne mein Baby hier wäre.“ „Aber wie soll ich über den Bach kommen?“, hob Ida beschwörend die Hände. „An dieser Stelle wird es nicht möglich sein, aber vielleicht ein Stück weiter. Sie brauchen ja nur eine Verbindung mit dem Handy. Möglicherweise müssen Sie gar nicht ans andere Ufer.“ Ida nickte zustimmend. Miriam hatte sie überzeugt.

Zur selben Zeit, in etwa vier Kilometern Entfernung, kämpfte ich gegen so ziemlich alles, was die Natur an Prüfungen für mich bereithielt. Die riesigen Bäume ächzten unter der Last des Sturms, sangen wirklich schaurige Lieder. Kein Wunder, dass die Menschen stets von schrecklichen Geschichten sprechen, wenn sie an den Wald denken. Die Vorstellung, einem Wolf begegnen zu können, war in diesem Moment nicht wirklich hilfreich.

Als Bea und ich die Hütte des Professors erreichten, war das Ultimatum längst abgelaufen. Noch bevor ich mich bemerkbar machte, verschaffte ich mir einen Überblick über die örtlichen Verhältnisse. Einige Meter neben dem Haus floss ein Wildbach vorbei. Wegen des heftigen Regens war er bereits über seine Ufer getreten. Die Hütte selbst war auf einer kleinen Anhöhe errichtet. Von der Veranda hatte man einen guten Blick über das schmale Tal, durch das sich der Bach schlängelte. Eine malerische Idylle, für die ich allerdings in diesem Moment keinen Blick erübrigen konnte. Der Weg endete direkt vor der Hütte. Einen Zaun gab es nicht, dafür umfriedeten zwei Holzstapel, die sich links und rechts des Weges, etwa zehn Meter vor der Hütte befanden, das Grundstück. Sie waren in einer Länge von etwa zehn Metern geschichtet und bildeten somit so etwas wie zwei Flanken.

Zwischen ihnen, also direkt auf dem Weg, der zur Hütte führte, entdeckte ich einen Jutebeutel, wie er von Miriam zum Einkaufen verwendet wird. An ihm war ein dünnes Seil befestigt, welches über den Weg, die Treppe vor der Veranda empor, bis in die Hütte führte. „So also hat sich der Kerl das gedacht“, flüsterte ich Bea zu. Ich konnte nicht allein darauf vertrauen, dass sich der Gangster an die Gepflogenheiten eines Austauschs hielt. Die gute alte Ganovenehre galt schon lange nichts mehr. Daher legte ich Bea vorsorglich auf der westlichen Seite der Hütte ab. Dort war sie durch den Holzstapel gedeckt und der Bach sorgte für reichlich Geräusche. Ich bedeutete ihr, sich bis auf mein Zeichen ruhig zu verhalten und kehrte zum Weg zurück.

„Sind Sie in der Hütte?“, machte ich mich bemerkbar. „Sie haben sich verspätet“, reagierte der Mann, der seinen Kumpan erschoss, mit verärgerter Stimme. „Ich war nie hier, wie hätte ich also wissen sollen, wie man auf dem schnellsten Weg hierherkommt?“, entgegnete ich logisch. „Haben Sie den Datenträger dabei?“ „Wäre ich sonst hier?“ „Sehen Sie die Tasche vor sich auf dem Boden?“, verlor er keine Zeit. Er wusste also genau, wo ich mich befand. Folglich hatte er mich schon eine ganze Weile im Visier. „Ja!“ „Legen Sie den Stick hinein!“, befahl er.

„Moment, was ist mit Ihrer Geisel?“ „Sobald die Tasche in der Hütte ist, lasse ich den Professor frei.“ „Ja genau und in der Zwischenzeit trinke ich eine Tasse Kaffee“, ließ ich mich nicht ins Bockshorn jagen. „Für wie naiv halten Sie mich?“ „Was hält mich eigentlich davon ab, Sie jetzt sofort in den Hintern zu treten?“, reagierte der Kerl angefressen. Ich hob den Lauf meiner Flinte gut sichtbar über den Holzstapel. „Ich weiß nicht, wer oder was Sie sind, aber Sie gefallen mir“, entgegnete der Gangster gewarnt.

„Also schön, der Professor kommt vor die Tür, Sie legen den Stick in die Tasche und ich beginne diese zu mir zu ziehen, sobald der Professor losgeht.“ „Gut“, zeigte ich mich einverstanden und kramte den Datenträger hervor. Ein Blick zu Bea verriet mir, dass sie aufmerksam in meine Richtung sah. Mit dem nächsten Atemzug öffnete sich die Tür und der Professor kam zum Vorschein. Er hatte einige Kratzer, schien aber sonst unversehrt. Wie abgesprochen legte ich nun den Stick in den Jutebeutel, hielt ihn aber noch fest. „Ich bin soweit!“, rief ich dem Gangster zu und die Geisel setzte sich in Bewegung. „Falls Sie mich linken, werden Sie nicht weit kommen“, rief der Gangster. „Ich hoffe, das ist Ihnen klar?“

„Gehen Sie zügig weiter“, rief ich dem Professor zu, ohne auf die Einschüchterung einzugehen. Als er jedoch den Jutebeutel erreichte, bückte er sich plötzlich danach, riss ihn hoch und lief damit in meine Richtung. Die Aktion geschah wohl auch für den Gangster so unerwartet, dass er das Ende des Stricks nicht festhalten konnte und dieses nun lose vor der Hütte lag. Ein Schuss krachte, traf den Physiker in den Rücken und ließ ihn vornüberkippen. Ich hatte nicht den Hauch einer Chance, irgendetwas zu verhindern. Ich sah, wie sich die Hand des Professors langsam öffnete, wie sich sein Kopf allmählich in meine Richtung drehte und wie er mir mit seinem Blick zu verstehen geben wollte, dass der Stick unter keinen Umständen in die Hände des Gangsters gelangen durfte. Mit dem nächsten Wimpernschlag erstarb sein Blick.

Nachdem der Killer auf den Professor geschossen hatte, würde er, sofern ich ihm die Gelegenheit gab, ganz sicher nicht zögern und auch auf mich schießen. Also griff ich nach einem der Äste, die vom Sturm abgebrochen und direkt bis vor den Holzstapel geweht worden waren, um nach der Tasche zu angeln. Als ich mich dabei etwas zu weit vorwagte, krachte der nächste Schuss. Offenbar sah der Gangster seine Felle davonschwimmen. Im Grunde ging es mir viel mehr um den Professor als um die Tasche. Die Daten hatte ich ja vorsichtshalber auf dem Tablett gesichert. Noch lebte er, aber wenn ich ihm nicht helfen konnte, dann würde dies sicher nicht so bleiben.

Mir blieb nichts anderes übrig, als hinter dem Holzstapel in Deckung zu bleiben. Es folgten weitere Schüsse, deren Nachhall sich veränderten. Der Killer verließ offenbar die Hütte und kam die Treppe hinunter. Ein kurzer Blick bestätigte meine Vermutung. Der Kerl war auch jetzt wieder durch eine Sturmhaube maskiert. Allem Anschein nach wollte er sich die Tasche nun selber holen. Mir wars egal, Hauptsache er würde dann endlich verschwinden, damit ich mich um den Professor kümmern konnte. Was ich nicht bemerkte, war die Tatsache, dass der Kerl nur noch zwei Schritte von mir entfernt war. Für Bea war dies Anlass genug, ihre Deckung aufzugeben, um mir zu Hilfe zu kommen. Bellend und in voller Fahrt rannte sie auf den Killer zu. Der wirbelte herum und gab einen Schuss auf sie ab. Ich begriff erst, was vor sich ging, als Bea jaulte.

Ihr entsetzliches Heulen ließ mich jegliche Vorsicht außer Acht lassen und trieb mich nun meinerseits aus der Deckung. Ein weiterer Schuss stanzte sich in meinen Arm und wirbelte ihn getroffen herum. Brennender Schmerz ließ mich in die Knie gehen. Es brauchte einige Sekunden, ehe ich überhaupt realisiert hatte, dass ich getroffen war. Als ich wieder hochkam, waren sowohl der Killer als auch die Tasche verschwunden. Als ich Bea auf dem schlammigen Waldboden liegen sah, brach es mir fast das Herz. Ich weiß, eigentlich hätte ich mich zunächst um den Professor kümmern müssen, aber in einem solchen Moment ist es nicht der Verstand, der eine Entscheidung trifft.

Ich drehte meine Kleine vorsichtig auf die Seite und sah, dass sie am Unterbauch getroffen war. Das aus einer Wunde austretende Blut vermischte sich mit dem Wasser der Pfütze, in der sie lag. Ich war so hilflos. Wenigstens hob und senkte sich ihre Bauchdecke. Sie lebte also. Der Professor hingegen hatte keinen Puls mehr, wie ich im nächsten Moment feststellte. Ich fragte mich, ob es das wirklich wert war und ich fragte mich, weshalb mir der Kerl nicht auch noch den Rest gegeben hatte. Die Antwort folgte mit dem Wind, der das rhythmische Heulen einer Sirene herübertrug. Ida und Miriam hatten also Hilfe alarmiert.

-7-

Da Bea nicht im Krankenwagen transportiert werden durfte, zog ich es ebenfalls vor, mit ihr im Rüstwagen der Feuerwehr nach Thale zu fahren. Ich wollte bei ihr sein, schließlich hatte sie mir durch ihren selbstlosen Einsatz wahrscheinlich das Leben gerettet. Für den Professor kam ebenso jegliche Hilfe zu spät wie für den Gangster in der anderen Hütte. Um keine kostbare Zeit zu verlieren, beschränkte ich meine unmittelbaren Angaben zum Tathergang auf das Wesentliche. Nachdem nun Bea beim Tierarzt und mein Arm in der Ameos Klinik versorgt worden war, drängte der ermittelnde Kommissar darauf, weitere Einzelheiten zu erfahren.

„Sie werden verstehen, dass ich zunächst meine Frau und unser Kind sehen möchte“, vertröstete ich den Beamten. „Sie gestatten, dass ich dabei bin“, nervte der Ermittler. „Solange der Tathergang nicht geklärt ist, muss ich alle Eventualitäten in Betracht ziehen.“ „Was wollen Sie damit sagen?“ „Nun, bislang habe ich lediglich die Versionen Ihrer Frau und die von Frau Schilling gehört. Ich möchte verhindern, dass Sie sich absprechen.“ Ich sah den Kriminalbeamten ungläubig an. „Sie glauben doch nicht allen Ernstes, ich hätte auf die beiden Männer und auf meinen Hund geschossen, um mir am Ende selbst eine Kugel in den Arm zu jagen?“ „Was ich glaube oder nicht, steht zu diesem Zeitpunkt nicht zur Debatte. Ich stehe noch am Beginn meiner Ermittlungen, daher interessieren mich zunächst lediglich die Fakten.“ „Machen Sie doch was Sie wollen, aber vielleicht sollten Sie auch einmal darüber nachdenken, was wir in der vergangenen Nacht erlebt haben.“

Die Klinikleitung zeigte sich einfühlsamer. Ida, Miriam und Ramona waren in einem Zimmer untergebracht. Während Ida wegen starker Unterkühlungen behandelt werden musste, waren Miriam und unsere Tochter lediglich zur Beobachtung aufgenommen worden. Für das, was meine Mädels hinter sich hatten, ging es ihnen erstaunlich gut. Während Ida schlief, saß Miriam in ihrem Bett und kümmerte sich um Ramona.

„Dem Himmel sei Dank, euch ist nichts passiert“, stürmte ich an Miriams Krankenbett. Ramona lag in einem kleinen Bettchen neben ihr und spielte. „Was ist mit dir?“ erkundigte sich meine Liebste mit Blick auf den Verband an meinem Arm. „Alles gut, ein glatter Durchschuss.“ „Der Mistkerl hat auf dich geschossen?“ „Leider auch auf Bea“, seufzte ich. „Was ist mit ihr?“ „Es hat sie am Bauch erwischt, aber der Tierarzt ist Zuversichtlich.“ „Ich muss Sie bitten, sich nicht über die Vorkommnisse der letzten Nacht zu unterhalten“, grätschte Kommissar Knauer dazwischen. „Für den Herrn Kommissar sind wir nämlich Tatverdächtige“, erklärte ich pikiert. „Na ja, objektiv betrachtet, muss er alle Eventualitäten in Erwägung ziehen.“ „Meine Worte“, fühlte sich Knauer bestätigt. „Vielen Dank, Frau Staatsanwältin.“

„Ich glaube, unser Wagen ist Schrott“, beichtete Miriam. „Wir sind einige Male im Schlamm stecken geblieben, bis irgendwann gar nichts mehr ging. Der kleine Steg war einfach weggerissen. Wir wären um ein Haar in den Bach gestürzt. Ida konnte das Steuer gerade noch herumreißen. Sie ist dann allein weiter. Ich habe keine Ahnung, wie sie es geschafft hat, Hilfe zu holen.“ „Frau Schilling konnte auf der Landstraße einen Wagen anhalten“, mischte sich der Kommissar ein. „Der Fahrer hat dann die Polizei alarmiert.“

Miriam sah zu Ida hinüber. „Sie muss übermenschliches geleistet haben, um Hilfe zu holen.“ „Weiß sie schon, dass ihr Mann getötet wurde?“, flüsterte ich Knauer zu. Miriam hielt erschrocken die Hand vor den Mund. „Nein und ich möchte Sie bitten, dass Sie die Überbringung dieser Nachricht mir überlassen,“ reagierte der Kommissar gereizt. „Abgesehen davon würde ich Sie jetzt gern zu den Vorkommnissen befragen.“ „Ich sehe im Anschluss nach Bea und komme dann wieder hier her“, versprach ich, während ich mich von Miriam und Ramona verabschiedete.

„Es tut mir leid, dass wir Ihre Befragung so zeitnah wie möglich hinter uns bringen müssen“, entschuldigte sich Knauer für die Unannehmlichkeit, “...aber als Detektiv wissen Sie sicherlich, dass eine Befragung dann den größten Erfolg verspricht, wenn die Eindrücke noch frisch sind.“ „Bringen wir es hinter uns, damit ich ins Bett komme.“ Knauer setzte sich mir gegenüber und schlug die Ermittlungsakte auf. „Sie haben sich also die Hütte am Ochsensumpfteich gemietet, um dort ein verlängertes Wochenende zu verbringen?“, begann der Ermittler. „Entschuldigen Sie bitte die Störung, Herr Kommissar“, betrat eine junge Frau den Befragungsraum. „Was ist denn?“, reagierte Knauer verstimmt. „Hier ist jemand, der Sie dringend sprechen möchte.“ Der Beamte verdrehte die Augen und erhob sich und nahm die Akte wieder an sich. „Ich bin gleich wieder da.“

„Guten Tag, Kommissar Knauer. Mein Name ist Rebell, Hauptkommissarin Rebell vom Landeskriminalamt.“ Sie wies mit einer legeren Handbewegung auf den Herrn an ihrer Seite. „Mein Kollege Hauptkommissar Hellmann.“ „Hallo.“ „Vielen Dank für Ihre Unterstützung, mein Kollege und ich übernehmen den Fall an dieser Stelle. Die Hauptkommissarin nahm dem verdutzten Kommissar die Akte aus der Hand und ließ ihn kurzerhand stehen. „Ja aber Sie können doch nicht einfach...“, rief ihr Knauer nach. „Glauben Sie mir, Herr Kollege, sie kann.“

„Guten Tag Herr Lessing“, betrat eine Frau meines Alters den Befragungsraum. „Mein Name ist Rebell“, stellte sie sich vor. „Hauptkommissarin Rebell vom LKA.“ „Ich habe mich schon gefragt, wann Sie auftauchen würden“, lehnte ich mich in meinen Stuhl zurück. „Warum?“ „Weil zwei Menschen ums Leben kamen, weil diese offenbar von einem professionellen Killer getötet wurden und weil es sich, nach allem was ich bislang mitbekam, um geheime Forschungsergebnisse handelt.“ „Oho, da merkt man doch sofort, dass man es mit einem ehemaligen Kollegen zu tun hat.“ „Wie ich sehe, haben Sie sich bereits bestens informiert“, nickte ich anerkennend. „Das ist mein Job, nicht wahr?“

Die junge Frau, die Knauer zuvor herausgerufen hatte, brachte uns einen Kaffee. Während ich mich bediente, überflog die Hauptkommissarin die Akte, die ich gerade noch in den Händen des Kommissars gesehen hatte. „Wir haben also einen erschossenen Intensivtäter, der bereits mehrfach in polizeiliche Erscheinung getreten ist und dessen bislang unbekannten Komplizen, der Professor Schiller hinterrücks erschossen hat.“ Hauptkommissarin Rebell sah mich mit gespitzten Lippen an und schaltete das vor mir stehende Mikrophon an. „Dann schildern Sie doch bitte jetzt den Tathergang aus Ihrer Sicht.“

„Befragung Leopold Lessing in der Sache Schilling.“ „Wo soll ich anfangen?“ „Am Anfang.“ „Tja also, meine Frau und ich wollten uns ein erholsames Wochenende im Harz gönnen, deshalb haben wir uns diese Hütte am Ochsensumpfteich gemietet. Eigentlich waren wir gerade erst angekommen, als eine junge Frau an der Tür klopfte.“ „Ida Schilling“, schlussfolgerte die Ermittlerin. „Genau“, bestätigte ich. „Sie war völlig durch den Wind. Meine Frau und ich nahmen zunächst an, dass sie sich in dem Sturm verirrt oder einen Unfall hatte, aber dann erzählte sie uns von den Gangstern, die in ihre Hütte eingedrungen waren und nun ihren Mann bedrohten.“

Die Hauptkommissarin sah sich ein Foto der verbrannten Tür an. „Erzählte Ihnen Frau Schilling eigentlich sofort von den Forschungsergebnissen ihres Mannes?“ „Ich weiß gar nicht...“ Ich musste nachdenken. „Doch, na klar, denn kurze Zeit später standen die Gangster ja auch schon vor unserer Tür. Ida hatte uns rechtzeitig vor den Männern gewarnt.“ „Deshalb haben Sie die Verfolger von Frau Schilling gar nicht erst hereingebeten“, folgerte die Hauptkommissarin. „Mehr noch! Als Ida erzählte, dass ihr die Männer auf den Fersen waren, schlossen wir sämtliche Fensterklappen und sicherten die Tür mit einem Querriegel. Zum Glück, wie Sie ja auf dem Foto sehen können.“

„Diese Blockhütten sind offenbar recht massiv gebaut!“, stellte die Hauptkommissarin fest. „In meinen Unterlagen ist die Rede von Brandbeschleuniger in Form von Benzinrückständen, die von der Feuerwehr am Brandort festgestellt werden konnten.“ „Im Anbau zur Hütte befindet sich ein Stromgenerator. Ich hatte ihn kurz zuvor angeworfen und den etwa halb vollen Kanister vor der Schuppentür abgestellt.“ Frau Rebell sah mich fragend an. „Ich weiß, war dumm von mir, aber ich wollte noch ein paar Fackeln aus alten Lumpen machen.“ Ihre Blicke wurden bohrend. „Zum Nachtangeln“, erklärte ich.

„Auf jeden Fall hatten Sie bezüglich des Starkregens großes Glück, sonst wären Sie mit samt der Blockhütte abgebrannt“, brachte es die Hauptkommissarin auf den Punkt. „Stimmt. Als die Gangster bemerkten, dass sie nicht den erhofften Erfolg haben würden, versuchten sie durch eines der Fenster in die Hütte zu gelangen. Mein Hund stellte einen der Männer bei dem Versuch.“

Frau Rebell sah mich skeptisch an. „Von was für einer Rasse sprechen wir hier?“ „Bea ist eine deutsche Dogge.“ Die Falten auf ihrer Stirn lösten sich. „Es gelang uns den Gangster zu fesseln. Als sein Komplize das Scheitern seines Kumpanes bemerkte, feuerte er wutentbrannt auf die brennende Tür. Dabei muss eines der Geschosse durchgedrungen sein und den Gefesselten getroffen haben.“ Die Hauptkommissarin schüttelte ungläubig den Kopf. „Seien Sie mir nicht böse, Herr Lessing, aber das hört sich ein wenig zu fantastisch an.“

Ich horchte auf. „Weshalb sollte ich so etwas erfinden?“ Ihre Mimik veränderte sich. „Vielleicht wollen Sie ja verschleiern, was wirklich geschah?“ Allmählich riss mir der Geduldsfaden. „Nochmal! Weshalb sollte ich das tun?“ „Ich habe Auskünfte eingeholt. Ihre Detektei wirft keine sonderlich großen Gewinne ab.“ „Danke, ich kann nicht klagen“, erwehrte ich mich ihrer Schlussfolgerung. „Ein Mann mit ihren Verbindungen weiß sicherlich wie und wo er so wertvolle Forschungsergebnisse zu Geld machen kann.“ „Jetzt drehen Sie völlig am Rad“, machte ich meinem Ärger Luft. „Ich werde Ihre Angaben bis ins letzte Detail überprüfen“, drohte die Hauptkommissarin. „Ich kann nur für Sie hoffen, dass ich dabei nicht die kleinste Ungereimtheit feststelle.“

Ich sprang wütend auf. „Anstatt nach dem flüchtigen Killer zu fanden, kommen Sie mir hier mit haltlosen Unterstellungen. Machen Sie lieber vernünftig Ihre Arbeit. Wenn Sie keine konstruktiven Fragen haben, oder etwas Konkretes gegen mich vorbringen können, werde ich jetzt gehen.“ „Halten Sie sich bitte vorerst zu unserer Verfügung.“ „Sie hören von meinem Anwalt.“